In vielen Köpfen sitzen sehr viele Vorstellungen davon was sein muss und was nicht sein darf. Dahinter verbergen sich oftmals Ängste, was passiert denn, wenn das müssen plötzlich nicht mehr sein muss? Vor allem wenns um Pferde geht wird einem schon früh eingetrichtert, dass man konsequent sein muss. Sonst wirds gefährlich und das Pferd tanzt einem auf der Nase rum.
Doch stimmt das so überhaupt??
Das Problem dieses äusseren (oftmals mehr oder weniger) konsequenten System ist, dass es sehr eng ist. Es gibt eine Logik die über richtig und falsch entscheidet. Diese Logik ist jedoch sehr unflexibel, das System ist starr. Und doch ist es sehr veränderlich, unbewusst. Oftmals wird es je nach Laune und Tagesverfassung des Reiters mehr oder weniger konsequent verfolgt. Das Pferd arrangiert sich damit, oder es gibt Probleme. Das kann frustrierend sein... Für Pferd und Reiter!
Ein weiteres Problem ist, dass das logische System oft auch noch mangelhaft ist. Es enthält Überlegungsfehler, es finden unbewusste Muster statt und es ist ungenau. Es bezieht sich oftmals nur auf bestimmte Situationen und auf andere nicht. Ein hartes Leben für das Pferd..... Pferde haben unter sich auch Regeln, doch diese Folgen keinem System der Logik. Sie folgen dem Gefühl.
Das ist ein grosser Unterschied! Es erfordert Wachheit, es erfordert Präsenz. Es ist auf die konkrete Situation bezogen. Kein Pferd sagt, ich bin jetzt konsequent und Pferd A darf nicht näher als 3 m an mich herankommen. Das Pferd sagt, wenn du mir so nahe kommst dass ich mich unwohl fühle, dann musst du weg! Pferde sind wach, sie registrieren wenn sie jemandem zu nahe kommen oder wenn ihnen jemand zu nahe kommt. Das können mal 3 Meter sein, mal weniger oder mal mehr. Manchmal fühlt es sich näher auch noch gut an, manchmal sind schon 5 Meter zu nahe. Menschen sind es sich nicht mehr gewohnt dem inneren Gefühl mit Wachheit zu begegnen und danach zu handeln. Pferde sind auf dieser Ebene die Spezialisten. So fechten sie untereinander auch die Rangordnung aus. Mal antesten was passiert wenn ich den Raum des anderen Pferdes betrete, geht es weg oder sagt es mir ich soll weggehen? Und genau das machen Pferde ständig mit uns Menschen. Die Menschen haben kein Bewusstsein mehr für ihren Raum. Oftmals fühlen sie erst dass das Pferd drängelt wenn sie tatsächlich körperlich weggestossen werden. Und dann werden sie sauer. Und dann müssen die Pferde lernen, ok, Menschen schnallen es nicht wenn man sie bedrängt, aber wenn man sie zu stark bedrängt können sie plötzlich ausrasten. Seltsame Kreaturen. Was soll man damit anfangen? Sie wollen uns in gefährliche Situationen bringen, warum sollen wir denen vertrauen und folgen, die merken ja überhaupt nichts?!! Das ist für das Fluchttier Pferd ein Dilemma!
Doch was für eine Alternative gibt es?
Die Alternative ist die bewusste auf die Situation bezogene Entscheidung. Die Konsequenz liegt nicht mehr im äusseren System, die Konsequenz liegt darin genau hinzusehen und zu fühlen und sich bewusst zu Entscheiden!
Das Nicht-Müssen
Für viele Menschen ist das austreten aus dem logischen System mit vielen Widerständen und auch mit Ängsten verbunden. Dem Pferd einfach mal zu sagen, du musst mir den Huf nicht geben wenn du nicht willst. Die Katastrophe! Das ganze Konstrukt gerät ins wanken! Doch darin liegt eine ungeheure Kraft. Aber nur in der bewussten Entscheidung, dass es ok ist wenn das Pferd den Huf jetzt nicht gibt. Das hat nichts mit Larifari zu tun, dass man mal konsequent ist und mal nicht (Das ist fürs Pferd noch schlimmer als das System der logischen Regeln). Ist sich das Pferd an das logische System gewöhnt wird es natürlich beginnen das ganze System zu hinterfragen. Das neue System der bewussten Entscheidung erlaubt Pferd und Reiter Nein zu sagen. Das ist die Basis für die Kommunikation. Das logische System ist häufig eine Einweg-Kommunikation, das Pferd muss tun, was der Reiter sagt. (Wer das von der Arbeit her kennt, kann villeicht nachvollziehen wie frustrierend es ist, wenn der Chef keine Ahnung hat, aber ständig bestimmt und man sich damit irgendwie arrangieren muss). Es ist wichtig, dass auch das Pferd etwas zu sagen hat und dass der Reiter fähig wird, darauf einzugehen. Das geht nur, wenn das Pferd nicht grundsätzlich muss. Das heisst noch lange nicht, dass das Pferd alles darf! Das sind zwei paar unterschiedliche Schuhe. Und auf die Füsse treten sollte mir das Pferd nicht, auch ich als Mensch darf Nein-Sagen! Der Kern des Nicht-Müssens es Nein-Sagen zu dürfen und damit verbunden die Akzeptanz der Situation genau so wie sie ist. Es geht darum, dass der Mensch lernt das Tempo des Pferdes zu gehen, dass der Reiter kreativ wird und Wege findet zu denen das Pferd Ja sagt. Darum hinzuspüren warum das Pferd nein sagt, um Mitgefühl und Verständnis für die Situation des Pferdes.
Das alles öffnet die Kommunikationsebene als Basis für den Austausch zwischen Pferd und Reiter und ist Grundlage für das Loslassen. Das Loslassen setzt voraus, dass das was jetzt ist genau so sein darf.
Das Müssen
Ist das Nicht-Müssen möglich, verändert sich auch die Qualität des Müssens grundsätzlich. War das Müssen vorher ein logisches System, ist es jetzt wieder unserem Willen angeschlossen. Das fühlt sich ganz anders an und kann einem auf einmal ganz plötzlich gar nicht mehr so leicht fallen. Kommt das Müssen aus dem logischen System handeln wir aus der Gewohnheit, daraus wie wir gelernt haben zu funktionieren. Unserem Willen zu folgen hat uns villeicht in der Vergangenheit Probleme eingehandelt. Es ist nicht dasselbe wenn wir dem Pferd sagen, 'du musst jetzt den Huf geben, weil unser System so funktioniert, dass du das machst was ich sage, weil das richtig ist und ich es so gelernt habe', völlig anders ist die Qualität bei einem, 'du musst mir den Huf geben, weil ich ihn will'.
Das macht auch fürs Pferd einen Unterschied, es ist kein Arrangement mehr, es ist Total. Agiert der Mensch plötzlich total, kann die Reaktion des Pferdes plötzlich auch sehr total werden und auch nicht mehr dem Arragement folgen. (Achtung Überraschung, da steckt ja ein Wildpferd drin!)
Und hier kommt die Wichtigkeit, warum das Nicht-Müssen an erster Stelle kommt! Das Nicht-Müssen hat die Kommunikationsebene und das Mitgefühl geöffnet. Ein Müssen in der Einweg-Kommunikation ist einfach nur hart und frustrierend, es ist kalt und herzlos. Ist die Kommunikationsobene und das Mitgefühl auch während eines Müssens offen, ist das etwas ganz anderes. Dann fühlt man wie es dem Pferd geht, wenn wir von ihm etwas verlangen, obwohl es das villeicht gar nicht will.
Die Freiheit der Entscheidung
Damit eine Entscheidung frei sein kann, braucht es mindestens zwei Möglichkeiten.
Die Freiheit liegt beim Mensch darin sagen zu können 'es ist für mich in Ordnung wenn du jetzt nicht antrabst' wenn es gleichzeitig aber auch möglich wäre zu sagen und durchzusetzen 'ich will dass du jetzt antrabst' und das mit der Akzeptanz der ganzen Konsequenz beider Möglichkeiten. Denn nicht nur jede Entscheidung ist konsequent bewusst gewählt, es ist auch ganz klar, dass diese bewusste Entscheidung Konsequenzen haben wird. Hat man die Wahl sich zu entscheiden entsteht damit plötzlich auch eine bewusste Wahl des Weges. Plötzlich gibt es verschiedene Optionen und damit auch verschiedene Möglichkeiten wie die Reaktion sein wird.
Nicht immer ist alles Möglich
Mit den Möglichkeiten der freien Entscheidung geht auch eine Verantwortung einher. Es ist nötig die Situation zu erspüren, und zu lernen bessere Entscheidungen zu treffen. Manchmal wird man überrascht werden, man wird Entscheidungen treffen, deren Resultat einem nicht gefällt, man wird etwas verlangen, was noch gar nicht ohne Widerstände möglich ist. Dann liegt es an uns, unser Gespür zu verfeinern, in Kontakt zu kommen mit der Situation, was ist möglich, wieviel kann ich verlangen ohne dass ich oder das Pferd überfordert werden. Die Wahl liegt nicht nur darin etwas zu tun oder nicht zu tun, sie liegt auch darin zu wählen wohin unser Fokus geht. Was ist sinnvoll anzugehen, was dient mir und dem Pferd jetzt?
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